Bahnhofsrad: Fahrrad Eigenbau aus Einzelteilen


Bahnhofsrad Eigenbau

Ein Fahrrad für den Bahnhof und für die Stadt aus Einzelteilen selbst aufbauen? So ein Fahrrad Eigenbau ist kein unmögliches Projekt. Man muss nur gut aufpassen, welche Teile zueinander kompatibel sind und nicht zu viel Berührungsängste haben. Ein wenig Werkzeug ist auch noch notwendig, aber nichts besonderes, versprochen. Du wirst sehen, das ist keine Raketenwissenschaft. Allerdings gibt es einige Fehler die man vermeiden kann, das musste ich bei meinem Selbstversuch leider lernen.

Altes Damenrad

Was ist ein Bahnhofsrad? Ein Fahrrad was primär für den Weg von den eigenen vier Wänden bis zum Bahnhof gefahren wird, bevor man dort in den nächsten Zug, S-Bahn oder was auch immer steigt. Das Bahnhofsrad verbleibt dann für die Dauer eines Arbeitstags bei Wind und Wetter am Bahnhof.

Wozu brauche ich ein eigenes Fahrrad für den Bahnhof und für die Stadt? Wenn du diese Frage stellst, dann wurde dir offensichtlich noch nie ein Fahrrad geklaut oder/und du wurdest nie Opfer von Vandalismus an deinem Fahrrad. Leider ist Diebstahl und Vandalismus Alltag an Bahnhöfen und unseren Städten.

Welche Anforderungen muss das Bahnhofsrad erfüllen?

Das ist einfach: Es muss zuverlässig fahren und es muss möglichst günstig sein. Idealerweise sieht es auch nicht sehr wertvoll aus, so dass es Dieben nicht ins Auge sticht. Insbesondere sollte es jedoch Verkehrssicher sein.

Es gibt meiner Erfahrung nach 2 große Sorten an Fahrraddieben:

  • Die einen die das (Marken-)Fahrrad stehlen, weil sie das Fahrrad verkaufen/ausschlachten wollen. Diese Leute knacken im Zweifel auch ein teures Schloss. Wichtig ist die Marke und die Ausstattung.
  • Und die zweite Sorte, Betrunkene und / oder Jugendliche, die einfach eine Fahrgelegenheit suchen um nach Hause zu kommen. Diese Leute suchen nach Fahrrädern die möglichst gar nicht abgeschlossen sind oder nur sehr leicht gesichert sind und schnell mitgenommen werden können. Optik, Ausstattung und Marke sind ihnen völlig egal. Deswegen ist wichtig, dass auch das Bahnhofsrad möglichst gut gesichert wird.

Man könnte nun natürlich einfach in den nächsten Baumarkt / Supermarkt gehen und dort ein beliebiges Fahrrad kaufen. Allerdings können wir evtl. noch günstiger selber ein Fahrrad bauen für etwas bessere Qualität. Insbesondere macht das dann Sinn, wenn man auch noch Fahrradteile rumliegen hat oder man etwas über den Aufbau und der Funktionsweise von Fahrrädern lernen möchte.

Außerdem geht es auch ein bisschen um den Spaß am basteln.

Anforderungen an das Bahnhofsrad:

  • Es muss fahren
  • Verkehrssicherheit und Zuverlässig
  • Möglichst günstig, es sollte einfach kein großer Wert an dem Fahrrad hängen

In meinem Fall soll das Fahrrad im übrigen auch nicht ausschließlich für den Bahnhof sein, sondern insbesondere auch für kleine Erledigungen und Besorgungen jeder Art. Im Grunde genommen soll es für alle Wege genutzt werden die zu Fuß zu weit, aber mit dem Auto zu kurz sind.

Zum Beispiel:

  • Kleine Einkäufe in unmittelbarer Nähe
  • Pakete holen und wegbringen
  • Essen holen
  • Sonstige Fahrten auf kurzen Wegen

Ich werde das Rad jedoch explizit nicht für Dinge wie Sport, Kindertransport und allgemein längere Strecken als 10 km verwenden.

Alter 26 Zoll MTB Rahmen

Bei meinem Projekt geht es um einen 90er Jahre Aluminium Mountainbike Rahmen, der von einem der damals großen Versandhäuser kam (Quelle, Neckermann, Otto? – Ich weiß es leider nicht mehr). Es handelt sich um das Modell Tokaido Sunriser Alu 900.

Der Orange Rahmen ist für 26 Zoll Laufräder gebaut und hat ausschließlich (Cantilever) Felgenbremsen. Außerdem hat das Rad ausschließlich eine Starrgabel, das ist gut so, weil keine Federung benötigt wird. Der Rahmen ist für eine Kettenschaltung ausgelegt.

Vor ca. 3 Jahren habe ich begonnen das Fahrrad entsprechend meiner Vorstellungen aufzubauen. Im Rahmen dieses Projekts habe ich das Fahrrad jedoch gründlich verändert. Das werde ich im folgenden Artikel beschreiben. Ich hatte bereits von der Installation der Frontbeleuchtung in einem anderen Artikel geschrieben. Hier gibt es Details zum initialen Aufbau des Bahnhofsrad.

Mein Bahnhofsrad wird geboren

der nackte Fahrradrahmen
Der nackte Rahmen

Zu Beginn habe ich den Rahmen erstmal gründlich entkernt. Dazu habe ich alle Anbauteile entfernt. Ich habe beinahe alles entsorgt, weil die Teile größtenteils hinüber waren, andere Teile habe ich noch behalten, eventuell habe ich dafür später noch Verwendung.

An dieser Stelle habe ich wohl den größten Fehler bei dem Umbau gemacht. Ich habe den Rahmen neu lackiert. Wieso war das ein Fehler? Nun ja, es war sehr viel Aufwand und es hat Geld gekostet, welches ich für andere Dinge sparen könnte.

Die Cantilever-Bremsen habe ich auch entfernt, diese wollte ich auf V-Brake umstellen. Das heißt ich brauchte hier neue Bremsen. Da Canitleverbremsen eine andere Hebelübersetzung haben brauchte ich auch neue Bremsgriffe.

Als Schaltung wollte ich eine Nabenschaltung. Warum? Ich hatte vorher nie ein Fahrrad mit Nabenschaltung und ich war neugierig wie ich mit Einstellung und Pflege zurecht komme. Dazu war ein neues Hinterrad mit Getriebenabe und entsprechende Schaltgriffe nötig. Außerdem ist theoretisch noch eine neue Kurbel notwendig, darauf habe ich jedoch in der ersten Ausbaustufe verzichtet.

Eigentlich war der Rahmen jedoch für eine Kettenschaltung ausgelegt, das heißt ich brauchte noch einen Kettenspanner.

Da die Reifen ebenfalls total hinüber waren habe ich mich für Schwalbe Marathon Reifen entschieden. Warum? Die Reifen gelten als pannensicher und langlebig. Ich hatte vorher noch nie echte Schwalbe Marathon Reifen gefahren und war gespannt.

Darüber Hinaus wollte ich Schutzbleche haben, damit ich und auch der Antrieb des Fahrrads bei schlechtem Wetter besser geschützt bin. Ich habe mich hierbei für SKS Bluemels entschieden, weil ich mit diesen bereits an anderen Fahrrädern gute Erfahrungen gemacht habe. Die Montage ist mit etwas Übung sehr unkompliziert.

Getauscht habe ich außerdem den Lenker gegen einen etwas entspannteren Riser Bar. Dafür dann noch neue ergonomische und billige Griffe (Fehler Nummer 2), weil die alten sich schon halb aufgelöst haben. Das ist leider ein Problem von vielen Fahrradgriffen, nach einigen Jahren beginnen diese sich klebrig anfühlen. Umso billiger der Griff umso eher passiert das aus meiner Sicht.

Weil die alte Sattelstütze nicht mehr so gut aussah habe ich auch diese gegen eine Günstige ausgetauscht. Das war mein dritter Fehler, dazu später mehr.

Original am Fahrrad blieben noch das Vorderrad, der Schaftvorbau, die Kurbel, das Tretlager, das Steuerlager und die Gabel. Diese Teile zu ersetzen war nicht nötig oder hätte das Projekt in unnötige Kosten gestürzt.

Der Umbau meines neuen Bahnhofsrad

frisch lackierter Rahmen

Nachdem ich alle Teile gekauft habe begann ich den Umbau zu realisieren. Als erstes stand der Farbwechsel auf dem Plan. Ich mochte das Originale Orange des Rahmen nicht. Aus heutiger Sicht ein Fehler, denn die Farbe ist für so ein Bahnhofsrad absolut zweitrangig. Hier und da ein paar Kratzer sind manchmal sogar hilfreich, denn es lockt weniger Diebe an.

Nachdem ich das Fahrrad neu lackiert hatte begann ich die neu gekauften Teile zu verbauen.

Als Bremsen hatte ich einfache V-Brakes auf Alivio Niveau gewählt, diese wurden komplett mit Griffen und Bremszügen geliefert.

Als Antrieb habe ich, wie weiter oben beschrieben, eine Nabenschaltung gewählt. Ich habe mir dazu ein Laufrad mit Getriebenabe gegönnt. Meine Wahl viel auf die Shimano Nexus 8 inklusive Schaltgriff und Schaltzug. Hier wäre natürlich auch noch Einsparpotential gewesen indem ich lediglich eine Nexus 7 bzw. Nexus 3 kaufe oder einfach auf eine Schaltung verzichte und auf Singlespeed umbaue. Ich habe mich jedoch bewusst für die größte Shimano Nexus Nabe entschieden, weil ich mich nicht zu sehr einschränken wollte, denn was ist, wenn das Fahrrad mal irgendwann mehr sein soll als nur ein Bahnhofsrad.

V-BrakeDazu habe ich noch einen günstigen Kettenspanner angebaut.

Einen günstigen Sattel, einen einfachen Riser Bar Lenker, die Ergogriffe und die SKS Bluemels Schutzbleche.

Als Problematisch stellte sich jedoch die Sattelstütze heraus. Das Problem war, dass der Rahmen eine Sattelstütze mit Durchmesser 31,2 mm erfordert. Das ist mittlerweile scheinbar ein exotisches Maß. Ich habe es so gelöst, dass ich eine relativ lange 27,2 mm dünne, aber günstige Sattelstütze kaufte und diese mit Hilfe einer Reduzierhülse in den Rahmen gesteckt habe. In meinen Augen hätte ich lieber etwas mehr Geld für eine neue Sattelstütze mit korrektem Durchmesser kaufen sollen. Der Grund ist, dass ich seit dem das Gefühl habe, dass die Sattelstütze nicht korrekt festgezogen werden kann. Wenn ich es mit Gewalt zu ziehe, dann bricht die Sattelklemme. Das ist leider schon zweimal passiert.

Schimano Nexus 8 Nabe

Der Einbau des Hinterrads mit Getriebenabe war sehr simpel. Man muss lediglich das Rad einsetzen. Anschließend den Schaltzug einhängen.

Die Einstellung der Nexus 8 ist wirklich einfach. Man muss in den 4. Gang (das ist der Wartungsgang) schalten und anschließend schauen, dass die beiden kleinen gelben Striche an der Getriebenabe exakt eine Linie bilden. Falls das nicht der Fall ist, dann muss man vorsichtig die Zugeinstellschraube am Schaltgriff so lange drehen bis die beiden Striche korrekt sind.

Die Bremsen sind auch kein großes Problem. Weder der Montage, noch die Justierung. V-Brakes sind vom Aufbau bzw. von der Funktion sehr simpel und mit ein wenig Gefühl und einem 5er Innensechskantschlüssel lassen sich diese schnell einstellen. Wichtig ist, dass die Bremszüge ordentlich verlegt werden.

Schwalbe Marathon ReifenEin weiterer Punkt waren die Schutzbleche. Ich hatte mich für SKS Bluemels in 50er Breite entschieden. Hier ist wichtig, dass die Bluemels einmal testweise ohne die schwarzen Schutzkappen montiert werden, dann können die Streben zur Kürzung markiert werden. Das Kürzen funktioniert am besten mit einer kleinen Eisensäge. Man kann es auch mit einem guten (!) Seitenschneider oder einem Bolzenschneider (damit geht es am einfachsten) machen, aber meiner Meinung ist die Säge sauberer.

Als Reifen habe ich mir den Schwalbe Marathon (einfach der Marathon ohne Zusatz) gekauft. Grundsätzlich sind die Reifen schnell aufgezogen. Nach einigen Fahrten muss ich aber gestehen, dass das nie mein Lieblingsreifen wird. Der Reifen ist schwer und wenig agil. Wer nur Pannenschutz will und dem Komfort nicht so wichtig ist, der ist hier richtig. Ansonsten wird der Reifen vermutlich nicht lange bleiben.

Ich bin der Meinung, dass es komfortablere Reifen gibt, auch und insbesondere von Schwalbe.

Welches Werkzeug wird benötigt?

Welches Spezialwerkzeug ist nötig um ein Fahrrad aufzubauen? Nun ja eigentlich nicht viel. Ich brauchte diverse Innensechskantschlüssel, Maulschlüssel und Schraubenzieher.

Ein guten Seitenschneider zum Trennen alter Brems- und Schaltzüge ist auch von Vorteil.

Das einzige Spezialwerkzeug was bei mir zum Einsatz gekommen ist, war ein Kettennieter zum lösen der alten Kette. Wobei man hier mit einer Eisensäge bzw. Einem Winkelschleifer wohl auch weiter gekommen wäre.

Ich empfehle noch ein wenig Fett um die Schraubverbindungen zu schmieren.

Sobald man jedoch Kurbel, Innenlager und Steuerlager tauschen muss ist ein wenig spezielles Werkzeug notwendig. Beispielsweise der Kurbelabzieher (falls man wie in meinem Fall eine Vierkantkurbel hat).

Zusammenfassung:

  • Innensechskantschlüssel (hauptsächlich 4er, 5er und 6er, aber teilweise auch kleinere)
  • Maulschlüssel (hauptsächlich 15er für die Radmuttern)
  • Schraubenzieher
  • Seitenschneider
  • Kettennieter

Welche Kosten waren für den Umbau notwendig?

Der Punkt hatte mich am Ende doch sehr überrascht. Hier einmal eine tabellarische Kostenaufstellung. Wenn man die Kosten ehrlich betrachtet, dann wird man feststellen, dass ich nicht viel günstiger bin, als bei einem Baumarktrad (und das hat vermutlich noch eine Dynamobeleuchtung). Dennoch ist es so, dass ich dieses Fahrrad aufgebaut habe und dadurch eine Menge über Fahrradtechnik gelernt habe.

Nexus 8 – Getriebenabe (inkl. Schaltzug und Schaltgriff)

135 EUR

SKS Bluemels 26 Zoll B50

25 EUR

Alivio T4000 V-Brakes, Bremszüge & Griffe

30 EUR

Lenker

15 EUR

Griffe

10 EUR

Sattel

15 EUR

Sattelstütze & Reduzierhülse

12 EUR

Schwalbe Marathon (2 mal)

30 EUR

Kettenspanner

15 EUR

Gesamteindruck vom neuen Bahnhofsrad

Bahnhofsrad
Das Bahnhofrad – Hier noch in einer sehr frühen Phase.

Der Aufbau hat Spaß gemacht und ich habe viel gelernt. Kostentechnisch war es jedoch nicht sinnvoll, das hatte ich nicht erwartet. Wenn man also ein neues Fahrrad für den Bahnhof braucht, dann könnte sich auch ein Angebot aus dem Baumarkt lohnen oder noch besser ein gebrauchtes von ebay Kleinanzeigen, aber bitte nur mit Original Kaufbeleg kaufen.

Toll finde ich noch immer die Nexus 8. Die Schaltung hat seit Montage nie Probleme gemacht. Das einzige Problem was ich sporadisch habe, das ist eine Durchrutschende Kette.

Auf die Neulackierung hätte ich rückblickend wohl verzichtet.

Mein Bahnhofsrad wird generell mehrmals die Woche bewegt, allerdings sehr selten zum Bahnhof.

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